Dienstag, 25. August 2015

Ein Jahr später...

Die Zeit in einem Kindergarten vergeht ungefähr so schnell, wie ein Wochenende mit Ausblick auf eine anstrengende Arbeitswoche. Ein Jahr ist es nun her, dass mich mein Weg zur Erziehertätigkeit in einen Kindergarten geführt hat. Als Mann, als Sozialpädagoge, als Vater.
Und nach ziemlich genau diesem Jahr gibt es einen aktuellen Anlass zum Schmunzeln, da der neue Kollege im Haus (der zweite Mann im Team!) sich nach den ersten beiden Wochen seiner Mitarbeit so ziemlich genau die Fragen stellt, die ich mir dereinst auch stellte und bis heute nur in kleinen Teilen beantwortet habe. Die wichtigste Frage dabei ist ohne Zweifel: "Warum machen die das so?"
Universell anzuwenden ist die Frage auf den zwischen Frauen scheinbar speziell vereinbarten Umgang mit dem Thema Macht ebenso, wie auf Kommunikations-Highlights, auf den - seit der Präsenz männlicher Kollegen offenkundig schlagartig veränderten - Umgang mit körperlich anstrengenden Tätigkeiten, wie dem Tragen von Wäsche oder Verrücken von Tischen, auf jene Form der speziellen Rücksicht, die Männern (Erziehern und Vätern gleichermaßen) im Kindergarten zuteil wird, wenn es um "Pädagogisches" geht oder die wirklich permanente Frage, wie lange man denn nun eigentlich im Kindergarten arbeiten möchte.
Letztere unterstellt wohl den unbändigen Drang nach einem Fortkommen, den ich einst so gar nicht verspürte. In bester Absicht unterstelle ich im Umkehrschluss, dass die Kolleginnen den von ihnen ausgeübten Beruf für so wenig attraktiv halten, dass ein Mann sich darin keinesfalls für eine längere Zeit aufhalten möchten kann.
Seit kurzem beantworte ich die Frage offensiv mit der Auskunft, dass ich meinen befristeten Arbeitsvertrag - und damit die vertragliche Basis meiner Mitarbeit im Kindergarten - erfüllen werde. Das ist typisch männlich. Denke ich mir. Es macht auch ein wenig Spaß. Auf jeden Fall lässt es Raum für Spekulationen, die aber gar nicht sein müssten, weil der genannte Arbeitsvertrag eben einen letzten Arbeitstag kennt.
Nach einem Jahr im Kindergarten habe ich eine halbwegs passable Vorstellung davon, was Veränderung im Kindergarten (und Bedarf an Veränderung gibt es ausreichend für das Befüllen eines eigenen Blogs) an Anstrengung bedeutet. Die wie in Stein gemeißelte Wahrnehmung der Welt als aus  Männern und Frauen bestehend ist da nur eine Dimension. Wie zum Beweis der noch notwendigen Arbeit in diesem Themenfeld lud der Träger 'meines' Kindergartens irgendwann in der ersten Jahreshälfte zur Mitarbeiter_innen-Feier. Eigentlich eher zur Mitarbeiterinnen-Feier. Was da als geschlechterkritisches Kabarett angedeutet war, entpuppte sich schließlich als Schenkelklopfer-Veranstaltung á la "alle Männer sind stumpf und faul und alle Frauen feiern das gebührend" gespickt mit einer Brise Rassismus. Sehr zur Freude des etwa 90prozentigen Anteils von Mitarbeiterinnen in der Veranstaltung. Für einen kurzen Augenblick schien das sogar den (ausschließlich) Herren der Führungsriege unangenehm.
Aber das sind Episoden. Man sollte übrigens während dieser Episoden, die offensichtlich nur bei den anderen ganz schnell wieder vergessen sind, keinesfalls zu deutlich anzeigen, dass man plumper Klischee-Bedienung eher kritisch gegenüber steht. Ansonsten wird der Verlauf einer solchen Veranstaltung mindestens drei Wochen lang gegenüber Dritten in etwa mit den Worten "Na ja, abgesehen von Max *kicher* hatten wir eigentlich alle Spaß." Das wird dann aber natürlich um die hochkritische Einstellung ergänzt, dass das natürlich nur Kabarett gewesen sei und man das alles ja nicht so ernst nehmen müsse.
Wie gesagt, es braucht noch einiges an Veränderung im Kindergarten.
Meine wesentliche Erkenntnis? Dass ich in Unkenntnis darüber bin, ob sich dieses Mann-Frau-Dingens wirklich jemals auflösen lässt. Das übrigens paart sich mit einer schier unendlich angewachsenen Sehnsucht danach, endlich mal wieder ein Konflikt mit offenem Visier auszutragen, ohne irgendeinen pseudo "Ich schätze dich ja sehr, aber ich wünsche mir von dir..."-Frieden.
Wenn ich heute gefragt würde, was ich mit folgender Beschreibung assoziiere: "Menschen, die mit der Wahrnehmung des selben Auftrags betraut sind, verwenden einen Großteil ihrer Energie nicht auf die Erfüllung des Auftrags, sondern auf das beständige Aushandeln ihrer Machtbeziehungen, wobei Macht nicht dem Streben nach Herrschaft/Führung gleichzusetzen ist, sondern vielmehr die Möglichkeit der beständigen Infragestellung von Führung selbst um den Preis der Zuwiderhandlung gegen eigene fachliche Überzeugungen meint.", so wäre meine Antwort nicht mehr, "der Deutsche Bundestag", sondern "ein Kindergarten".
Spannend im Übrigen, dass man nicht etwa neben solchen Gefügen betrachtend stehen bleibt, sondern früher oder später mittendrin agiert. Aber dazu vielleicht später mehr.