Dienstag, 28. Oktober 2014

Betreuungsschlüssel

Der Schlüssel für eine gute Betreuung von Kindern in der Kita ist nicht der Betreuungsschlüssel. Der übrigens beträgt in Thüringen per Kita-Gesetz in der Altersstufe ab 3 Jahren bis zum Schuleintritt maximal 1:16. Der Schlüssel für eine gute Pädagogik allerdings liegt nicht in einer Zahl. Er liegt in einem durchdachten Betreuungs- und Bildungskonzept. Das lässt dann wiederum Variabilität in den Betreuungszahlen zu.


In den Wochen meiner bisherigen Tätigkeit als Erzieher war ich gelegentlich der alleinige Betreuer meiner Gruppe. An wenigen Tagen auch mit einer betreuten Kinderzahl oberhalb der Betreuungsschlüssels.
Ob dies allerdings jeweils problematisch oder wenig dramatisch ist, hängt fast ausschließlich davon ab, was an dem Tag geplant ist und welche Kinder der Gruppe anwesend sind. An manchem Tag sind schon zwölf Kinder sehr viel. Wenn beispielsweise ein geplantes Angebot ein wenig mehr Aufmerksamkeit fordert, unter den zwölf Anwesenden aber genau an diesem Tag alle sechs Kinder sind, die im freien Spiel ebenso wie in der angeleiteten Beschäftigung ein hohes Maß an individueller Aufmerksamkeit benötigen. Schnell wird das Angebot dann entweder zur unbegleiteten Selbstbeschäftigung der anderen Kinder oder aber das Ergebnis des Angebots fällt deutlich "kleiner" aus, als es zuvor angedacht war.
An anderen Tagen sind wir in der Gruppe draußen unterwegs. Dann können auch noch zehn Kinder aus einer anderen Gruppe dabei sein, ohne dass das Chaos ausbricht. Ganz im Gegenteil: in solchen Situationen sorgt eine große Gruppe unter Umständen für eine angenehme Dynamik.


Fragt sich also, wie mit solcher Differenziertheit umgegangen werden kann. Vielleicht ja mit einer Loslösung von der klassischen Strukturierung in Gruppen. Dann kann eben eine Anzahl X an Kindern mit in die Bibliothek kommen, während die anderen ganz selbstverständlich weiter in der Kita Betreuung finden. Und beim nächsten mal gehen dann andere mit. Und alle Angebote in der Kita könnten genau so funktionieren.
Gibt es schon? Stimmt. Gruppenoffene Kitas haben bereits eine längere Tradition.
Aber immer noch gibt es durchgruppierte Einrichtungen. Und in beiden Organisationsformen finden sich letztlich Kinder mit den gleichen Voraussetzungen: große, kleine, laute, leise, neugierige, ruhe- oder krachliebende und Kinder mit den unterschiedlichsten Ressourcen. Stark auf fix bestehende Gruppen orientierte Kitas könnten allerdings die notwendige Variabilität in der Betreuung der Kinder auch herstellen. Mit einer angemessenen Personaldecke. Dann könnten Gruppen geteilt bzw. differenziert betreut werden, könnten Kinder einzeln die Aufmerksamkeit erhalten, die ihnen im Situationsansatz zusteht, könnten Erzieher_innen sich in Kleingruppen-Kontexte oder Einzelsettings begeben.


Spätestens in der inklusiven Aufstellung einer Kindertageseinrichtung wird es ohne eine konsequente Aufhebung klassischer Gruppenstrukturen nicht mehr gehen. Anders nämlich ist es nicht vorstellbar, allen Kindern - unabhängig von ihren Ressourcen, Begabungen, Herkünften, Interessen, familiären und kulturellen Hintergründen - gerecht zu werden.


Soweit sind wir allerdings noch nicht. Im Moment braucht es "nur" Rahmenbedingungen, um der Anforderung gerecht zu werden, Kita als Bildungseinrichtung zu verstehen, die dann eben mehr leisten muss, als nur eine Betreuung über den Tag.
In guten Rahmenbedingungen können wir Kinder gut auf das Leben vorbereiten, gut auf spätere Lernschritte, gut auch darauf, in anderen Bildungssystemen zu bestehen.
Können wir.

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